Während eines Spaziergangs entlang der Küstenpromenade, vorbei an dem als «Weißer Turm» bekannten Wahrzeichen, lohnt es sich, einen kleinen Umweg nach Osten zu machen. Nach einer halben Stunde Fußweg erreicht man eines der architektonischen Juwelen der Stadt: die Villa Allatini. Dieses imposante Gebäude im eklektischen Stil ist nicht nur ein Augenschmaus, sondern auch ein bedeutendes Stück griechischer Geschichte. Heute steht die Villa unter der Obhut der Nationalbank Griechenlands und dient als Kulturzentrum.
Ende des 19. Jahrhunderts, im Jahr 1890, entwarf der Architekt Piero Arrigoni ein bezauberndes Herrenhaus für Mehmet Kapandzi. In Thessaloniki gibt es zwei Gebäude namens «Villa Kapantzi», die beide von demselben Architekten für zwei Brüder, Ahmet und Mehmet Kapandzi, entworfen wurden. Das älteste Gebäude dient heute als Kulturzentrum der Nationalbank Griechenlands.
Mehmet, Yusuf und Ahmet Kapandzi stammen von Sepharden ab, die Ende des 15. Jahrhunderts aus Spanien vertrieben wurden. Einst hießen sie vielleicht Caballere, was auf Spanisch «Ritter» bedeutet. In Thessaloniki genossen sie hohes Ansehen und Bildung. Mehmet führte die Handelskammer der Stadt, während Ahmet in den Jahren 1907 bis 1908 das Amt des Bürgermeisters innehatte.
Die Villa Kapanzi, ein dreigeschossiges Prunkstück, beeindruckt durch ihre architektonische Komplexität und die extravaganten Dachneigungen. Ein markantes vierstöckiges Turmelement, das sich mit dem Hauptgebäude verbindet, verstärkt den visuellen Eindruck. Die Inspiration der Architektur Mittel-Europas ist in Piero Arrigonis Entwurf deutlich erkennbar.
Das Innere der Villa ist ebenso beeindruckend: Elegante Böden, verziert mit Marmor und edlem Holzparkett, prunkvolle Türen und Fensterrahmen. Eine prächtige Doppeltreppe, akzentuiert durch eine opulente Balustrade und gekonntes Lichtdesign. Die Decken zieren kunstvolle Ornamente und Arabesken, die bei jedem Besucher des Kulturzentrums Μ. Ι. Ε. Τ. wahre Bewunderung hervorrufen.
Thessaloniki, bis 1912 unter türkischer Herrschaft, erlebte nach der Befreiung einen Wandel. Der bezaubernde Stadtpalast eroberte das Herz von Prinz Nikolaus, dem ersten Militärgouverneur, der ihn zur Residenz machte. Ab 1917 diente die Villa Kapanzi als Wohnsitz für den damaligen Premierminister Eleftherios Venizelos, der das Provisorische Regime leitete.
In den Jahren der nationalen Herausforderung zwischen 1922 und 1928, als Griechenland die Folgen der Niederlage in Kleinasien bewältigen musste, bot die Villa Kapanzis vielen Flüchtlingen Unterschlupf. Der Nationale Bank von Griechenland erwarb das Anwesen 1928. Bis zum Jahr 1938 diente das Gebäude als Hauptsitz der American Securities Company, die sich vorrangig mit Landverbesserungsprojekten in der Region Zentralmakedonien beschäftigte.
Im Jahr 1940 nutzte das griechische Militär die Villa als Bäckerei zur Versorgung ihrer Truppen. Mit der deutschen Invasion 1941 ging die Kontrolle über das Anwesen verloren, und es blieb bis 1944 unter deutscher Besatzung.
Erst in der zweiten Jahreshälfte 1945 konnte die britische Armee die Villa von den Besatzern befreien.
Von 1945 bis 1972 diente das Gebäude als renommierte Jungenschule, bekannt als Fünfte Oberschule. Die Schüler genossen dort nicht nur ihre Ausbildung, sondern waren auch in dem Schulinternat untergebracht. Die Einrichtung galt als eine der angesehensten und wettbewerbsfähigsten Bildungsstätten der Stadt. Gegen Ende des Jahres 1972 war das Gebäude jedoch stark sanierungsbedürftig, woraufhin die Nationalbank von Griechenland einen umfassenden Umbau des Anwesens in die Wege leitete.
Die Villa Kapantzi, ein architektonisches Juwel aus dem 19. Jahrhundert, das die Zeit überdauert hat, dient seit einem Beschluss aus jüngerer Vergangenheit ausschließlich als Stätte für kulturelle Veranstaltungen.
1998 erlebte das Gebäude eine Renaissance und öffnete als «Kulturzentrum der Nationalbank Griechenlands» erneut seine Pforten für Besucher, was seine kulturelle Mission festigte.
Seit 1997 steht die Villa Kapantzis unter dem Schutz des M. I. E. T. Kulturfonds. Als Bildungs- und Kulturinstitution bereichert sie das kulturelle Angebot von Thessaloniki. Ihr vielfältiges Programm umfasst: — Musikdarbietungen und Bühnenkunst — Bildungsprogramme wie Führungen und Vorträge — Wechselnde Ausstellungen und Präsentationen Die Villa Kapantzis ist ein pulsierender Ort des geistigen Austauschs und arbeitet eng mit anderen Kulturinstitutionen der Stadt zusammen.
Wer die Villa Kapandzi besuchen möchte, hat die Option zu Fuß oder mit dem Bus zu fahren. Startpunkt ist die Weiße Turm, von dort aus geht es entlang der Uferpromenade Richtung Osten bis zum Musikpalast, dem Megaro Musikis. An der Gedenkpark am Ufer biegt man dann links ab, in Richtung Stadtmitte und geht einen Block weiter, bis man die Vasilissis Olgas Straße erreicht, wo sich die Villa befindet. Alternativ kann man vom Stadtzentrum aus mit den Buslinien 3, 5, 5A oder 6 bis zur Haltestelle Botsari (Μπότσαρη) fahren.
